«Es ist erstaunlich zu sehen, was aus dem kleinen Mariyan geworden ist!»
Bulgarien gehört zu den Ländern mit der höchsten Rate an Heimkindern in Europa. Die meisten werden aufgrund von Armut und Vernachlässigung durch die Eltern ausgesetzt. Obwohl sie in den Heimen eine bessere Zukunft haben sollen, erleben viele das Gegenteil. Gewalt gehört hier zur Tagesordnung.
Es riecht unangenehm stickig auf den Fluren des alten Kinderheimes. Von den hohen Wänden bröckelt der ausgebleichte Putz, feuchter Schimmel verdrängt den einst farbenfrohen Anstrich. Die Fenster sind mit dicken Gitterstäben gesichert. Laute Schreie hallen unangenehm schrill über die langen Gänge. Die Kinder, die hier über diese Gänge toben, sind aggressiv. Sie kämpfen ums tägliche Überleben. Die Jüngeren und Schwächeren sind meistens Opfer dieser Attacken. Aus Angst trauen sie sich kaum noch aus ihren Zimmern, manche vegetieren vor sich hin. Eines dieser Kinder ist der sechsjährige Mariyan. Er wurde bereits als kleines Kind hier abgegeben. Aufgrund seiner Erlebnisse ist er völlig verschreckt, hat Angst vor Fremden und ist in seiner Entwicklung zurückgeblieben. Das Kinderleben hier ist hart für ihn.
Nachts, wenn es dunkel und ruhig geworden ist, schliesst Mariyan seine Augen und träumt von einer besseren Welt. Er träumt von einer Familie, die ihn liebt und ihm einen Ort der Geborgenheit schenkt, an dem sie gemeinsam lachen können. Doch am nächsten Morgen scheint wieder das fahle Tageslicht durch die Gitterstäbe in das leere Schlafzimmer. Zum Frühstück gibt es kalten Brei.
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Magazin 06/25